Der Montag, der mit einem SSL-Drachen begann

Ein sonniger Montagmorgen, 9:00 Uhr. Mein Kaffee dampft noch, als ich die Website meines neuen Kunden öffne. Was ich dort vorfinde, lässt mich kurz durchatmen: Eine WordPress-Installation, die seit Mitte 2017 nicht mehr aktualisiert wurde.

Die Vorgeschichte war typisch: Zwei schlechte Erfahrungen mit Web-Entwicklern hatten den Kunden vorsichtig gemacht. Irgendwann traute er sich nicht mehr, selbst Updates durchzuführen – aus Angst, die Website zu zerstören und dann niemanden zu haben, der helfen könnte. Also blieb alles, wie es war. Die Seite lief ja noch...

Dann bekam er meinen Kontakt. Und ich bekam den Fall.

Die Ausgangssituation:

Hier ist, was mich erwartete:

  • PHP 7.0.33 (veraltet seit Jahren)
  • WordPress 4.8 (aktuell: 6.x)
  • Dutzende ausstehender Plugin- und Theme-Updates
  • Kein Backup vorhanden
  • Und das Sahnehäubchen: Keine Updates, Backups oder Installationen über das WordPress-Backend möglich
Bild ist mit KI generiert
Bild ist mit KI generiert

Die Fehlermeldung, die alles blockierte:

cURL error 60: SSL certificate problem: unable to get local issuer certificate

Der erste Lösungsversuch: Support und Google

Mein erster Gedanke: Das SSL-Zertifikat prüfen. Ein Blick ins Hosting-Panel – alles scheint in Ordnung. Also rufe ich beim Support des großen, namhaften Hosters an.
Das Ergebnis: ernüchternd.

Der First-Level-Support schickt mir eine Anleitung zur Bestellung von SSL-Zertifikaten über die Benutzeroberfläche. Technisch eine Antwort, aber am Problem vorbei.

Recherchen über Google und KI-Tools bringen verschiedene Lösungsvorschläge, aber keiner passt genau zur Situation. Der Fehler ist bekannt, aber die üblichen Fixes greifen nicht.

Die Lösung: Must-Use Plugins zum Einsatz bringen

Zeit für einen pragmatischen Ansatz. WordPress bietet eine wenig bekannte Funktion:
Must-Use Plugins (mu-plugins). Diese werden automatisch geladen, noch vor allen anderen Plugins – perfekt für Notfall-Eingriffe.

Schritt-für-Schritt-Anleitung:

1. Per FTP zum Server verbinden

2. In das WordPress-Verzeichnis navigieren:

  • Zum Ordner wp-content gehen
  • Dort den Ordner mu-plugins suchen (falls nicht vorhanden: erstellen!)

3. Eine neue PHP-Datei erstellen:

  • Dateiname: disable-ssl-verify.php

4. Folgenden Code einfügen:

<?php
// Temporary fix: Disable SSL verification
add_filter('https_ssl_verify', '__return_false');
add_filter('https_local_ssl_verify', '__return_false');
add_filter('http_request_args', function($args) {
    $args['sslverify'] = false;
    return $args;
}, 10, 1);

5. Datei speichern und hochladen

Was macht dieser Code?

Der Code deaktiviert temporär die SSL-Zertifikat-Überprüfung für alle HTTP-Anfragen, die WordPress macht. Dadurch umgehen wir den cURL-Fehler und ermöglichen wieder Updates und Backups über das Backend.

Die Rettung: Updates durchführen

Mit der temporären Lösung im Einsatz konnte ich nun:

  1. ✅ Alle Plugin-Updates durchführen
  2. ✅ WordPress auf die aktuelle Version aktualisieren
  3. ✅ Ein vollständiges Backup erstellen
  4. ✅ Die PHP-Version von 7.0.33 auf 8.3 aktualisieren

WICHTIG: Aufräumen nicht vergessen!

⚠️ Nach erfolgreicher Aktualisierung muss die Datei disable-ssl-verify.php unbedingt wieder gelöscht werden!

Die Deaktivierung der SSL-Verifizierung ist ein Sicherheitsrisiko und sollte nur temporär als Notlösung eingesetzt werden. In meinem Fall trat der Fehler nach den Updates auch nicht mehr auf – das Problem hatte sich mit den aktuellen WordPress- und PHP-Versionen von selbst erledigt.

Lessons Learned

Diese Rettungsaktion hat mir wieder einmal gezeigt:

  • Regelmäßige Updates sind unverzichtbar – je länger man wartet, desto komplexer wird die Aufgabe
  • Backups vor jedem Update – selbst wenn man keins hat, sollte das erste Ziel sein, eines zu erstellen
  • Must-Use Plugins sind mächtig – sie bieten einen direkten Weg, WordPress-Funktionalität zu überschreiben
  • Nicht jeder Support-Kontakt löst das Problem – manchmal braucht es kreative Lösungen

Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder Ihre WordPress-Website seit Jahren nicht mehr angefasst haben: Es ist nie zu spät für ein Update. Und wenn Sie Hilfe brauchen – es gibt Entwickler*innen, die genau solche Drachen gerne besiegen.


Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht? Oder stecken Sie gerade in einem WordPress-Notfall? Schreiben Sie mir gerne!

Mehrwert4080

Ein Beitrag von:

Juliane de Vries | Webentwicklung

Juliane de Vries
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