
Oder: Geschichten erzählt man nur Kindern?
Geschichten lesen oder erzählen die meisten von uns gerne. Wir denken dabei allerdings oft an Bücher, die man kleinen Kindern vor dem Zubettgehen vorliest, oder an die Storyline eines spannenden Romans. Im unternehmerischen Kontext hat „Geschichtenerzählen“ (=Storytelling) wenig mit Helden und Literatur zu tun.
Storytelling kurz erklärt
Storytelling ist ein hochtrabender Begriff, der eigentlich nur die Tatsache beschreibt, dass ein Text, Video oder Slogan nicht nur Fakten liefert, sondern seinen Leser auch berühren und bewegen soll. Das Ziel ist, dass eine Geschichte so gut ist, dass sie immer wieder erzählt wird und – im wirtschaftlichen Kontext – einen Menschen zum Weitererzählen und – im besten Fall – zu einer Kaufhandlung bewegt.
Warum Storytelling?
Zahlreiche Studien aus der Hirnforschung haben gezeigt, dass wir uns Informationen besser merken, wenn wir einen emotionalen Zugang zu ihnen finden können. Bildhafte Sprache oder ein gut vorstellbarer Kontext reichen hierfür oft schon aus.
Storytelling als Marketingmethode
Eine Geschichte präsentiert ein Produkt in einem Kontext, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt und den Kunden begeistert. Wirkt Storytelling wie es soll, verbinden Kunden ein gutes Gefühl mit einer Marke und identifizieren sich mit ihren Werten.
Must-haves für gute Geschichten
Aber wie muss eine Geschichte sein, damit sie uns bewegt? Hier kommen die Must-haves:
- sympathische Hauptfigur(en)
- gut vorstellbare Ausgangssituation
- Spannungsbogen der Ereignisse
- „Moral“ der Geschichte oder Fazit für das eigene Leben
Vielleicht fühlen Sie sich jetzt gerade an Ihren Grundschulunterricht mit der sogenannten „Erzählmaus“ erinnert, denn ja, jede gute Geschichte sollte sich entwickeln und einen Höhepunkt haben (= höchster Punkt am Rücken der Maus). Das ist essenziell, denn sonst gäbe es für den Leser oder Zuschauer keinerlei Motivation, die Geschichte weiter verfolgen zu wollen. Wichtig ist also beim Storytelling, die Aufmerksamkeit und das Interesse des „Konsumenten“ für sich zu gewinnen und in ein positives Gefühl, das zur Markenidentifikation oder – idealerweise – gleich zu einer Kaufhandlung führt, umzuwandeln.
Beispiele für gelungenes Storytelling in Werbefilmen
Für Aufsehen sorgte der Werbespot „Break free“ im Jahr 2015, den der Filmregisseur Eugen Merher im Rahmen seines Studiums der Werberegie an der Filmhochschule in Ludwigsburg drehte. Er schickte Adidas seinen Spot, doch der wurde zunächst vehement abgelehnt. Kurzerhand lud Eugen Merher seinen Film selbst im Internet hoch und erzielte damit so viele Klicks (bisher 15 Millionen Aufrufe), dass sich der Adidas-Konzern doch bei im meldete und ihm ein Jobangebot unterbreitete.
Eine berührende Geschichte
Warum aber sahen so viele Leute Eugen Merhers Werbespot? Wegen seiner tollen und vor allem ergreifenden Geschichte: Einen vermutlich demenzkranken älteren Herren erinnern seine alten Adidas-Schuhe an seine erfolgreiche Sportlerkarriere. Sobald er die alten Turnschuhe sieht, kommen im Momente des Glücks von damals und seine Leidenschaft für den Sport in den Sinn.
Immer wieder zieht er sie deshalb an, läuft den Gang entlang und versucht aus dem Altenheim, in dem er lebt, zu fliehen. Am Ende es Spots feuern ihn die anderen Heimbewohner bei seinem Sprint auf dem Hausflur an und er verlässt tatsächlich das Gebäude.
Zum Werbespot: https://www.youtube.com/watch?v=gXfLl3qYy0k
Mog‘s Christmas Calamity
Zu 42 Millionen Aufrufen auf YouTube brachte es bisher der Weihnachtswerbespot für das Jahr 2015 des Lebensmitteldiscounters Sainsbury‘s aus Großbritannien. Hier war mit Judith Kerr eine Meisterin des Storytellings am Werk.
Zum Werbespot: https://www.youtube.com/watch?v=kuRn2S7iPNU
Beispiele für gelungenes Storytelling im Text
Storytelling wirkt nicht nur bei großen Konzernen, sondern natürlich auch bei Mittelständlern. Ein besonderer Werbefilm muss dafür gar nicht her, Geschichten in Textform tun es auch.
Beispiel 1: Restaurant „Deutschlandreise“
Liest man die Entstehungsgeschichte des Restaurants „Deutschlandreise“ in Bonn, ist diese so interessant, dass man sie von vorne bis hinten liest und sich denkt: „Hey, die hatten ja eine gute Idee. Da lohnt es sich mal hinzugehen.“ Ziel erreicht, die Geschichte wirkt. Warum? Sie ist gut geschrieben, besitzt einen Spannungsbogen und mit einer Familie als Hauptcharaktere sympathische Protagonisten.
Hier geht’s zur Story: https://deutschlandreise-bonn.de/about/
Beispiel 2: „München kocht!“
Eine andere, subtilere Form des Storytellings findet sich auf der Internetseite des Münchner mittelständischen Unternehmens „München kocht!“. Warum es sich lohnt, in den Räumlichkeiten von „München kocht!“ leckere Gerichte zuzubereiten, wird mit dem Text „Essen – die Basis des Lebens“ gezeigt. Statt eines langweiligen Werbetextes, der die Vorteile eines Kochevents bei „München kocht!“ auflistet, wird erzählt, welche Beweggründe und welche Philosophie hinter dem Unternehmen stecken.
Hier geht’s zum Text: https://www.muenchenkocht.de/ueber-uns/
Eine gute Geschichte schreiben – so geht’s
Würden Sie gerne ein Produkt oder eine Dienstleistung aus Ihrem Firmenportfolio mit einer Geschichte umwerben? Folgende Tipps können dabei helfen, eine richtig gute Story zu verfassen:
Tipp 1: Authentisch erzählen
Welche Werte oder Qualitätsmerkmale charakterisieren Ihr Unternehmen? Verstellen Sie sich nicht, um etwas Interessantes zu schreiben. Authentizität zählt viel, denn Ihre Kunden kennen Sie bzw. Ihr Produkt meist selbst sehr gut.
Tipp 2: Eine Botschaft übermitteln
Erzählen Sie nicht einfach so eine Geschichte, die irgendwie spannend ist, sondern machen Sie sich bewusst, welche Botschaft Sie vermitteln möchten. Richtig gute Geschichten kommunizieren eine „Moral“-Pointe, die weit über den oberflächlichen Inhalt hinausgeht.
Tipp 3: Für die Zielgruppe schreiben
Versetzen Sie sich, bevor Sie sich daran machen, sich eine Geschichte auszudenken, in die Lage Ihrer Kunden: Was bewegt sie? Wofür können sie sich begeistern? Was ist ihnen wichtig? Seien Sie sich der Zielgruppe Ihrer Story bewusst und stimmen Sie sie genau auf ihre Charakteristika ab.
Tipp 4: Von anderen lernen
Schauen Sie sich erfolgreiche Werbespots oder Texte an und analysieren sie diese: Was zeichnet diese aus? Wie sind die Charaktere? Warum ist der Text/Werbefilm bewegend? Notieren Sie sich die Antworten auf diese Fragen und versuchen Sie, sie in Ihrer Story zu berücksichtigen.