Hallo,
mein Name ist Tweety und ich bin ein Zwerghamster – ein Hamstermädchen, genaugenommen. Seit Neuestem testet mein Frauchen einen sprachlichen Entwicklungstrend der Menschheitsgeschichte und bezeichnet mich als Hamsterin. Verrückt, oder? Egal. Da es recht selten ist, dass ein Hamster mal öffentlich spricht, räume ich mit einem Mythos auf – dem Mythos des Hamsterrades.
Die Welt aus Sicht eines Hamsters
Erst ein paar Daten zu mir: Ich bin etwa 10 cm groß, 150 g schwer und kann bis zu 6 km/h schnell laufen.
Meine Superkraft: Etwa 20 Gramm Futter in meinen Backentaschen transportieren, das sind knapp 30 % meines Körpergewichts! Mein Frauchen beneidet mich manchmal darum. Sie hat es oft schrecklich eilig und kaum Zeit zum Essen.
In freier Wildbahn wäre ich ziemlich viel auf Achse. Im Prinzip müsste ich mich für alles bewegen – zur Futter- und Partnersuche und zum Bergbau. Außerdem haben meine Feinde, die Eulen und Falken, verdammt gute Augen. Da heißt es rennen!
Einfach dick werden: das ist keine Option!
Damit ich nun als zivilisierte Hamsterin in meinem kleinen Käfig nicht einfach nur fett werde, hat mein Frauchen mir ein Laufrad geschenkt. Das Prinzip von dem Ding habe ich recht schnell begriffen. Ich stelle mich rein und beginne zu laufen. Durch die Drehbewegung kann ich laufen, laufen und laufen, ohne mich einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen.
Hamsterrekorde meiner Freunde liegen übrigens bei 30.000 Umdrehungen pro Nacht, was in freier Wildbahn etwa 20 bis 30 Kilometern entsprechen würde.
Das merkwürdige an der Sache: Auch mein Frauchen erzählt mir ab und zu, sie würde sich in einem Hamsterrad befinden. Dabei habe ich so ein Ding noch nie in der Wohnung gesehen. Ich habe mir darüber Gedanken gemacht und festgestellt, dass sie etwas grundlegend falsch verstanden haben muss.
Bewegung im Hamsterrad
Ich laufe gern und viel – aber süchtig bin ich nicht. Tiere neigen selten dazu, sich außerhalb der genetischen Veranlagung sportlich zu überanstrengen. Ich bin schließlich nicht lebensmüde.
Wäre ich in der Kälte auf freiem Fuß und das Futter knapp, wäre ich gezwungen bis zu 12 km zurückzulegen, um nicht zu verhungern. DAS ist genetisch veranlagt.
Das Laufrad hilft mir also dabei meinen Bewegungsdrang zu stillen. Und ich kann aufhören – jederzeit und wann ich will – tatsächlich vollkommen willentlich steuerbar! Als das Laufrad meinen Alltag noch nicht bereicherte, bin ich alltäglich in der Wohnung meines Frauchens stiften gewesen und habe meine Körner versteckt. Dadurch kann ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen – es gibt kein weiteres Hamsterrad in diesem Haus!
Was meint sie also damit in einem Hamsterrad zu stecken, wo sie noch dazu niemals hineinpassen würde? Und ich kann aus Erfahrung sagen: Bewegungsdrang hat sie keinen. Das braucht sie mir nicht erzählen.
Arbeit und sonst?
Ich war neugierig, deshalb habe ich das Gespräch mit ihrer Freundin belauscht. Bei meinem Frauchen geht es gar nicht um Genetik und Bewegung!
Sie hat einfach einen Knall! Sie arbeitet die ganze Zeit, erledigt Aufträge, einen nach dem anderen oder auch gleichzeitig und wird regelmäßig wegen einer Beförderung vertröstet.
Ihre Mühe bringt ihr NICHTS! Gar nichts! Sie hat das Gefühl auf der Stelle zu laufen, so wie ich in meinem Rad. Das ist aber auch die einzige Parallele.
Das Experiment
Wenn sie mein Gefiepe verstehen würde, würde ich ihr etwas von einem Experiment erzählen. Auf so etwas stehen Menschen doch.
Zwei Mäuse wurden jeweils in ein Laufrad gesperrt. Im Versuch waren beide Laufräder miteinander verbunden. Lief die eine Maus, musste das auch die andere tun.
Was kam heraus?
Bei der Maus, die freiwillig lief entstand positiver Stress. Toller Stress, der übrigens auch bei Fortpflanzungspraktiken entsteht. Bei der zweiten Maus, die mitlaufen musste, entstand einfach nur negativer Stress.
Ich kann euch Menschen nur anhalten, euer negatives Bild von einem Hamsterrad zu überdenken. Ihr nutzt ähnliches bereits seit Jahren selbst: in Form von Laufbändern oder Heimtrainern. Fühlt ihr euch deshalb direkt wie ein kleines plüschiges Fellknäuel mit Stummelschwanz?
Tipp: Verwandelt negativen in positiven Stress
Zum Glück steckt niemand in einem Hamsterrad fest. Es kann jederzeit verlassen werden. Ob und mit wem ihr mitlaufen möchtet, legt ihr ganz alleine fest. Wird die Entscheidung mitzulaufen bewusst getroffen, kann sich negativer Stress auch in positiven Stress verwandeln. Und ist die Situation aus jedem Blickwinkel ungünstig, dann sollte man sowieso aussteigen.
Lasst euch das von einer Hamsterin sagen, die den täglichen Wahnsinn ihres Frauchens hautnah (geschützt hinter ein paar Gitterstäben) miterlebt und feststellen muss, dass die Menschheit immer verrückter wird.