Die Serie: Megatrends der Wirtschaftsinformatik
+ 4 Megatrends der Wirtschaftsinformatik
Die Artikelserie „4 Megatrends der Wirtschaftsinformatik“ beleuchtet, wie sich bestimmte Entwicklungen der Wirtschaftsinformatik künftig auswirken können. Zudem wird ein spezieller Bezug zur künstlichen Intelligenz (KI) hergestellt, die bereits viele Aspekte unseres Lebens betrifft.
Wir begeben uns auf eine Reise in die 1960er-Jahre, dem Aufblühen der Automatisierung, machen einen Zwischenhalt bei der Assistenz durch Maschinen, setzen unsere Reise fort zu der Entwicklung künstlicher Intelligenz und werfen einen Blick darauf, wohin die Reise in Bezug auf Cyborgs in der Zukunft gehen kann. Ganz konkrete Praxisbeispiele für den Marketingbereich zeigen, wie die Megatrends bereits heute die digitale Kommunikation beeinflussen.
+ Was ist ein Megatrend?
Ein Megatrend kann beschrieben werden als eine Lawine in Zeitlupe. Die Auswirkungen sind ubiquitär, haben also Implikationen in allen Lebensbereichen – und das meistens auf globaler Ebene. Wirtschaft, globaler Handel, Bildung, Medizin, doch auch der private Bereich sind hiervon betroffen und können sich der Veränderung nicht erwehren. Kaum eine Person kann sich einem Megatrend verschließen oder wird nicht davon – egal ob direkt oder indirekt – erfasst.
Teil 2 – Megatrend Assistenz
Unter dem Megatrend Assistenz können alle Dienste subsummiert werden, welche den Menschen bei Erfüllung seiner tagtäglichen Aufgaben unterstützen. Dies kann die Navigation zum Zielort sein, die maschinelle Übersetzung fremdsprachlicher Texte oder auch die Übersetzung von Lautsprache in geschriebenen Text, um diesen anschließend in einem anderen Kontext weiterverarbeiten zu können.
IT-Systeme sind hierfür dringend erforderlich und erwünscht. Treiber in der Digitalisierung, wie beispielsweise das im vergangenen Jahr weiträumig etablierte „Home-Office“, zeigen neue Arbeitswelten auf. In manchen Branchen sind die neuen digitalen Wege bereits Standard, anderswo müssen sie erst etabliert werden.
Kollaborativ Arbeiten – mit digitaler Unterstützung
Beispiel für einen Bereich, in dem Assistenz eine wichtige Rolle spielt ist das sog. kollaborative Arbeiten. Die Zusammenarbeit wird in diesem Fall von einem digitalen Dienst unterstützt, der im Browser oder via App bedient wird und die Aufgabenverteilung regelt. Ein größeres Arbeitspaket wird darin in mehrere Unter-Aufgaben zerlegt und diese den jeweils passenden Mitarbeitern zugewiesen.
Jede Aufgabe erhält einen Titel, eine Beschreibung und ein gewünschtes Fertigstellungsdatum. Bestenfalls enthält die Beschreibung die Definition eines SMART‑Zieles, damit der Bearbeiter die Aufgabe auch vollständig und bestenfalls ohne Verständnisfragen lösen kann.
Rückfragen zielgerichtet stellen
Gibt es doch Rückfragen oder sind Zwischenstände abzugeben, so können diese in einem eigenen Nachrichten-Stream, angefügt an dieser einen Aufgabe, besprochen werden. Die Aufgabe und die zugehörigen Updates sehen dann nur diejenigen Personen, welche an dieser Aufgabe beteiligt sind oder gegebenenfalls zur Klärung von Fragen in den Nachrichten-Stream eingebunden werden.
Diese Form des kollaborativen Arbeitens kann zu einer deutlichen Steigerung der Produktivität führen, da nicht mehr zahlreiche Personen via E-Mail in Kopie informiert werden – sondern nur die Personen, die auch tatsächlich zur Lösung der Aufgabe benötigt werden. Ein großer Anteil von „lesen, um des Lesens willen“ und unnötiger Kommunikation von nicht-Beteiligten kann entfallen.
Wenn Outlook assistiert
Was die Kommunikation angeht, so gibt es auch in der Outlook Web App bereits die Funktion „Antwort – Vorschläge“. Das System sucht hierbei via Textanalyse der erhaltenen E-Mail nach ihrer Intention.
Dem Verfasser werden beispielsweise häufig E-Mails von Studierenden gesendet, welche eine simple Abklärung als Intention haben. Dabei ist es für das System zweitrangig, ob es sich um eine Seminararbeit, eine Prüfungsanmeldung oder eine Frage zur Abschlussarbeit handelt.
Das System erkennt „zwischen den Zeilen“ also die intentionelle Frage: „kann ich das so machen?“. Die Vorschläge stehen dann direkt unter der Nachricht als Text‑Link und können angeklickt werden. Tippt man darauf, so wird der Text als Satz in den Textkörper einer Antwort kopiert und man kann direkt auf die Frage antworten. Mögliche Antwort-Vorschläge zu obiger Frage waren:
- ja, das geht.
- nein, das geht nicht.
- Ja, das können Sie so machen.
- Grundsätzlich ja, aber achten Sie bitte auf folgendes:
Auf Basis der Vorschläge kann die Reaktionszeit reduziert und die Effizienz der Kommunikation erhöht werden. Die Antwortvorschläge sind eine Mischung der Megatrends „Assistenz“ und „künstliche Intelligenz“, da zum Erlernen der Vorschläge eine KI notwendig ist. Diesem Megatrend wenden wir uns später in Teil 3 der Reihe zu.
Viele Aspekte der Assistenz, wie beispielsweise das automatische Einschalten der Rückfahrkamera im Fahrzeug beim Schalten in den Rückwärtsgang, sind uns heutzutage bereits derart geläufig, dass sie aus dem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind.
Navigation lief früher anders
Früher war der Falkplan ein essenzieller Bestandteil des Kraftfahrzeugs. Ich erinnere mich noch, wie meine Eltern früher navigierten: mein Vater saß am Steuer, meine Mutter auf dem Beifahrersitz, mit dem aufgefalteten Falkplan auf dem Schoß; ergänzt mit kleinen Haftnotizen an den relevanten Seiten. Die Straßenkarte wurde gerne auch in Fahrtrichtung gedreht, so dass meine Mutter rechts und links perfekt ansagen konnte. Mit Eintreffen am Zielort gab es einen (auf diversen Fahrten wiederkehrenden) Dialog zwischen meinen Eltern, der in etwa lautete:
- „Wir sind jetzt in Stuttgart. Wo muss ich jetzt genau hin?“
- „Warte Schatz, ich schaue noch. Fahr doch erstmal zum Bahnhof, den habe ich hier schon gefunden. Von dort aus kann ich es dir sagen.“
Heutzutage wäre ein solches Gespräch undenkbar. Heute beobachtet man vielmehr, dass Menschen in ihr Auto steigen, die Navigation am Smartphone starten und dieser Routenführung sogar mehr Vertrauen schenken als einem fest installierten Business- oder Professional-Navigationssystem auch renommierter PKW-Marken.
Es besteht kein Bedarf mehr, die Route im Vorfeld zu studieren. Es genügt völlig, einen Termin im Kalender mit dem Zielort zu versehen und dem digitalen Assistenten im Smartphone die Aufgabe zu geben, den Fahrer rechtzeitig vorher an die Abfahrt zu erinnern. Das ist möglich, weil die Information „Ort“ heute vollständig digitalisiert ist.
Smartphones sind Sensoren
Zusätzlich ist jeder Nutzer einer solchen Smartphone-Navigation auch selbst ein Sensor, denn der aktuelle GPS-Standort, der Bewegungsvektor und die Geschwindigkeit werden nicht nur zur Routenberechnung verwendet, sondern zeitgleich während der Live-Navigation auch in den Datenpool[1] eingespeist. Anhand solcher Daten kann ermittelt werden, ob sich dieser Sensor[2] mit einer Geschwindigkeit bewegt, welche für ein bestimmtes Fortbewegungsmuster typisch ist, beispielsweise:
- einen Fußgänger
- einen Fahrradfahrer
- einen Passagier im Zug
- oder einen Autofahrer
Haben mehrere Fortbewegungstypen ähnliche Geschwindigkeiten, so müssen diese Datenströme mittels einer zweiten Datenquelle angereichert werden, um sie voneinander unterscheiden zu können.
So müssen z.B. Autofahrer außerhalb von geschlossenen Ortschaften (Tempolimit: 100 km/h) und der öffentliche Nahverkehr (S-Bahnen mit bis zu 90 km/h) zusätzlich über einen Abgleich der aktuellen GPS-Position gegenüber digitalisiertem Routenmaterial verortet werden, um sie voneinander unterscheiden zu können. Kraftfahrzeuge sind glücklicherweise eher selten auf Schienen anzutreffen und damit gut von den Zügen abgrenzbar.
Fußgänger oder Stau?
Auch die Ermittlung von stockendem Verkehr erfolgt durch die Überlagerung der Geschwindigkeitsvektoren mit dem Routenmaterial. Eine ausreichende Menge von sich langsam fortbewegenden Sensoren auf einer öffentlichen Straße führt im Umkehrschluss zu einer Erkennung eines Verkehrsstaus. Denn Fußgänger sind zwar ähnlich schnell, jedoch selten auf geradem Kurs im Stop-and-Go-Bewegungsmuster auf einer öffentlichen Straße unterwegs. Weitere Fahrzeuge, welche diese Strecke passieren müssten, erhalten dann – abhängig von der Schwere der Verkehrsstockung – einen Hinweis zur Umfahrung oder direkt den Vorschlag für eine alternative Route.
Bewertung des Megatrends Assistenz
Der Megatrend der Assistenz hat bereits vollständig Einzug in unser Leben gefunden. Wir verlassen uns im alltäglichen Ablauf auf die korrekte Funktionsweise der maschinellen Assistenz und hinterfragen vermutlich oftmals deren Empfehlungen gar nicht mehr.
Vermutlich setzen sich die meisten Menschen in ihr Fahrzeug und starten heute eine digitale Assistenz zur Navigation, ohne sich die Route vorher angesehen zu haben. Viele notieren sich nicht einmal mehr die Adresse der Firma, zu der man gerade aufbricht, denn Google Maps findet die zugehörige Adresse über das hauseigene Branchenbuch Google MyBusiness nebst Öffnungszeiten automatisch.
Logischerweise folgt als nächste Entwicklungsstufe, dass man sich keine Gedanken mehr zur optimalen Abfahrtszeit machen muss – denn Google Assistant wird den Menschen rechtzeitig an die Abfahrt erinnern. Man wird lediglich die gewünschte Ankunftszeit und den Ankunftsort einsprechen, schon wird man rechtzeitig erinnert.
Verändert sich das Verkehrsgeschehen, wird sich auch der Zeitpunkt der Erinnerung zur Abfahrt verändern, damit man rechtzeitig ankommt. Irgendwie amüsiert diese Vorstellung, denn: früher hat man auf eine Fernbedienung gedrückt, damit die Maschine etwas tut – prospektiv ist es wohl umgekehrt und man wird wohl durch die Maschine ferngesteuert …
Kritik und Weiterentwicklungen
Als kritischen Gedanken darf man durchaus anmerken, dass die gegebene Empfehlung des assistierenden Systems letztlich nur das Ergebnis von „clever zusammengesteckten Algorithmen“ ist. Somit ist es limitiert auf die Informationen, welche vom Algorithmus erfassbar sind. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ist die gegebene Empfehlung nicht falsch, doch: Diese Empfehlung muss nicht zwangsläufig die Beste sein.
Weiterentwicklung Smart Home
Spannende Weiterentwicklungen im Bereich der Assistenz betreffen das sog. Ambient Assisted Living, sozusagen das Smart Home für Senioren. Dazu gehören neben einer sensorgestützten Überwachung der Umgebung mit einer permanent auf live geschalteten Not-Einsatzzentrale auch Funktionen wie die biometrische Türöffnung oder – bei Abwesenheit – das Fernöffnen des Eingangsbereich, damit der Postbote ein Paket am Ablageort abstellen kann.
Weiterentwicklung Pflege-Roboter
Ebenso sind in der Pflege-Roboter zur Unterstützung von Pflegekräften (z.B. Krankenhauslogistik), bei der Rehabilitation im Rahmen der physischen Unterstützung (Resynone oder Exo-Skelett) oder auch bei der persönlichen physischen Unterstützung im heimischen Umfeld (OBI: Hilfsgerät zur Zuführung von Nahrung oder Staubsaugerroboter) etabliert. Auch die personalisierte kognitive und soziale Unterstützung durch beispielsweise Roboterkatze (JustoCat), einen mobilen Roboterassistenten (Care-o-bot) oder einen humanoiden Pflegeroboter (Zora) werden gerade bei der derzeitigen Isolation von Personen aufgrund der Pandemie noch weitere Verbreitung erfahren.
Die Assistenz ersetzt also nicht die menschliche Arbeitskraft, sondern unterstützt und ergänzt sie. Nach dem Megatrend der Assistenz setzen wir unsere Reise fort und machen einen Zwischenhalt bei der KI (künstliche Intelligenz) und den intelligenten Maschinen.
Fußnoten
PD Dr. rer. nat. Alexander Lutz ist Inhaber der Agentur NeoDesign. Hier werden Ihre Träume ins Web gebracht!
Kontakt:
Hochstraße 33
81541 München
Fon: 089 21 53 88 9-0
Fax: 089 21 53 88 9-99
Mail: info@neodesign.tv